Die Entomologie (Insektenkunde) hat in Halle eine lange Tradition.
Bereits im Jahre 1732 hielt der Anatom Johann Friedrich Cassebohm Zoologische Vorlesungen ab, in denen er auch Insekten behandelte.
Zu dieser Zeit waren Naturalienkabinette in ganz Europa in Mode gekommen. So wollte man Reichtum und Weltoffenheit demonstrieren.
Es war gerade Swifts Buch "Gullivers Reisen" erschienen und man prahlte gern mit allerlei Monstrositäten und Absonderlichkeiten
aus den exotischen Teilen der Welt. Auch in Halle gab es mehrere Naturalienkabinette, die aber hauptsächlich zu Lehrzwecken
genutzt wurde. Die erste dieser Sammlungen, von deren wissenschaftlicher Bearbeitung wir nähere Kenntnis haben, wurde von Johann
Friedrich Gottlieb Goldhagen um 1770 zur Unterstützung seiner naturgeschichtlichen Vorträge angelegt. Die darin enthaltenen
Insektenpräparate waren aber durch mangelnde Pflege und ungünstige Unterbringung schon nach wenigen Monaten durch Schimmel
und Schadinsekten vernichtet. (Im Gegensatz dazu sind eine Reihe von Wirbeltierpräparaten bis heute erhalten geblieben und befinden
sich in den Zoologischen Sammlungen der Martin-Luther-Universität).
Parallel zur Entwicklung der zoologischen Forschung an der Universität bestand aber das tiefe Bedürfnis im aufgeklärten
Bürgertum, die Natur zu betrachten und zu verstehen sowie Beobachtungen zu teilen. Man suchte nach einer Plattform, wo sich
gleichermaßen Berufs- und Freizeitforscher ebenso wie interessierte Naturfreunde zusammenfinden konnten um Kenntnisse und
Erfahrungen auszutauschen. So ist bekannt, dass sich damals jeden Sonntag-Nachmittag die halleschen Entomologen im Hause von Ernst
Friedrich Germar trafen, um Insekten zu bestimmen und bei einer Pfeife Tabak und dem allgemein sehr geschätzten Kuchen, den die Frau
des Hauses zubereitete, über Entomologie zu plaudern.
Die erste uns bekannte offizielle Vereinigung dieser Art war die Naturforschende Gesellschaft zu Halle, die der Entomologe Johann Gottlob
Schaller gemeinsam mit dem Botaniker Christian Carl Löwe am 3. Juli 1779 gründete. Ursprünglich handelte es sich dabei
auch um eine Art Club, der sich wöchentlich traf, um bei Kaffe und Tabak über Neuigkeiten der Naturkunde zu plaudern. Neben
dieser damals bedeutenden und weit über die Landesgrenze bekannten wissenschaftlichen Vereinigung war Anfang des Jahres 1820 ein
Institut für angewandte Naturwissenschaften gegründet worden, dessen Zweck die Einbringung naturkundlicher Erkenntnisse in
Kunst und Gewerbe war. Diese an sich großartige Einrichtung sollte aber nur vier Jahre bestehen bleiben. Der Hauptgrund dafür
war das problematische Finanzierungskonzept: Jedes Mitglied bezahlte für 6 Veranstaltungen 1 Taler und 12 Silbergroschen, Gäste
bezahlten für jede Veranstaltung 12 Silbergroschen.
Um 1840 wurde der Naturwissenschaftliche Verein zu Halle gegründet. Dieser stellte sich zur Aufgabe, die Naturinteressenten und
darunter besonders die Jugend zusammenzuführen. Der Erfolg war grandios. Der Verein hatte Zulauf von weit her und so wurde er am 7.
Dezember 1852 umbenannt in "Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Halle". Es fanden
wöchentliche Sitzungen statt und einmal im Jahr eine Wanderversammlung. Als Publikationsorgan wurde die Zeitschrift für
Naturwissenschaften herausgegeben. Das wohl populärste Mitglied war Charles Darwin. Am Montag, dem 7. Januar 1884 trafen sich neun
Entomologen abends um 8 Uhr im Restaurant Gambrinus zu einer " Versammlung von Insektensammlern behufs Gründung einer
Tauschvereinigung.
In Folge vorstehender Annonie erschienen die Herren Oertel, Rauhwald, Friedrich, Hüllemann, Wilke, A. Jacob, Bernhardt, Günther
und C. Jacob und beschlossen nicht blos eine Tauschvereinigung, sondern einen wissenschaftlichen Verein zu gründen. "
(aus dem Protokoll der 1. Vereinssitzung, 7. Januar 1884) Zu den besten Zeiten hatte der Verein 130 eingetragene ordentliche Mitglieder,
darunter D. v. Schlechtendal, A. und O. Goldfuß, W. Schlüter, A. Petry, K.-E, Wingelmüller, E. Reitter und A.S. v.
Ulanovski. Weiterhin 10 korrespondierende Mitglieder wie P. Fleck, V. v. Röder und O. Schmiedeknecht. Ehrenmitglieder waren H.
Wernicke und E. Taschenberg. Die Entomologen stellten einen gewichtigen Teil dieses Naturwissenschaftlichen Vereins. Jedoch war die
Insektenkunde bei den Veranstaltungen dieser Gesellschaft unterrepräsentiert. So gründete sich am 18. September 1907 die
"Entomologische Abtheilung des Vereins für Naturkunde zu Halle/Saale". Nach einige Querelen mit dem Mutterverein beschloss man,
sich von diesem zu lösen und gründeten am 6. Januar 1908 die Entomologische Gesellschaft zu Halle. Es war eine sehr erfolgreiche
Organisation mit teilweise fast 120 Mitgliedern aus ganz Deutschland. Es gab aber in Halle noch weitere entomologische Vereinigungen
wie die Entomologische Arbeitsgemeinschaft des naturwissenschaftlichen Lehrervereins von Sachsen sowie ab 1908 die international
renommiere Entomologische Gesellschaft zu Halle.
Zu Beginn der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts (wahrscheinlich sogar genau 1940) vereinigten sich zwei oder mehrere dieser Vereine zum
Verein für Insektenkunde Halle.
Auch während des Zweiten Weltkrieges trafen sich die halleschen Entomologen. Ob das unter dem Namen einer Vereinigung war, ist leider
nicht mehr nachvollziehbar. Es waren aber Personen anwesend, die sowohl von der Entomologischen Gesellschaft als Entomologischen Verein
bekannt sind. Nach 1945 wird es zunächst etwas ruhiger um die Entomologie in Halle. Erst am 2. Februar 1955 wurde die Fachgruppe
Entomologie im Rahmen des Kulturbundes der DDR gegründet. Das geschah hauptsächlich in der Initiative von Otto Müller, der
auch die nächsten Jahre der Leiter der Fachgruppe war. Diese bestand bis zum Ende des Kulturbundes der DDR im Jahre 1990.
Aber schon am 11. Dezember des Jahres 1990 trafen sich 16 Entomologen, um den Entomologischen Verein wieder ins Leben zu rufen.
Hier können Sie sich Dokumente zu den historischen Wurzeln des Entomologischen Vereins zu Halle (Saale) als PDF-Datei herunterladen
(Vielen Dank für das Lesen und Übertragen der historischen Handschriften an Frau Isolde Händel, Halle!)